Hamburg, 10.06.2011

Auch wenn es peinlich ist, es einzugestehen - unser Kühlschrank müffelt ein bisschen. Ich will gar nicht darüber spekulieren, ob es daran liegt, dass irgendetwas schon zu lange drin steht oder besser in einem geschlossenen Behältnis aufbewahrt werden sollte, und schon gar nicht darüber, wessen Sachen da jetzt einem durch Kälte verlangsamten Verwesungsprozess ausgesetzt sind - ich hab einfach mal was gebastelt. Jetzt riecht's eigentlich wieder ganz gut.

 

Bielefeld, 04.06.2011

Der Leineweber-Markt war auch dieses Jahr wieder Anlass für einen Besuch in der alten Heimat. Diesmal habe ich allerdings versucht, die Geschehnisse in nüchternem Zustand ein wenig zu reflektieren. Das Stadtfest stellt sich dann wie folgt dar:

Man fließt mit der Masse. Mit der Geschwindigkeit flüssigen  Teers. Vor einem, hinter einem, neben einem: Ostwestfalen – Relikte aus dem  Pleistozän, die Weibchen Körperhöhe in Zentimetern gleich Gewicht in Kilogramm, mit modischen, mit Strähnchen versehenen Kurzhaarfrisuren, als hätte man ihnen aus großer Entfernung einen farbigen Wischmop auf den Kopf geworfen. Funktionskleidung. Die Männchen allesamt zwei Köpfe größer, von einer Statur, wie sie ausschließlich fleischhaltige Ernährung und über mehrere Generationen hinweg praktizierte Inzucht halt hervorbringen, mit klobigen Gesichtern wie aus dem Fels gesprengt und per Flowbee selbst beigebrachten Minimalfrisuren. Funktionskleidung. Man schiebt sich in Zeitlupe vorbei an Ständen, die exotische Waren und Speisen darbieten: Kunstlederportemonnaies, Döner, „Ich bin 30, bitte helfen sie mir über die Straße“-Tshirts und Nasi Goreng. Der Duft der großen, weiten Welt. Das kulinarische Geschenk Ostwestfalens an die Welt, die einzig wahre  Bratwurst, erfordert masochistische Neigungen: Plumpe Bauerntrampel hinter dem Tresen sind schon von mittelkomplizierten Bestellungen („Eine Brat!“) hoffnungslos überfordert, bewegen sich in Zeitlupe mittels Schwerpunktverlagerung, vergessen Bestellung, Kunde und ihren Daseinsgrund in Sekundenschnelle und beherrschen Grundrechenarten nicht mal bis drei. Auf der Bühne am Rathaus spielt die Rockpop-AG der Realschule Heepen, gefolgt von immerhin einheitlich gewandeten Ska-Musikern, deren Pfleger verzweifelt versuchen, sie zurück in die Geschlossene in Bethel zu komplimentieren. Das alles unter schönstem Bielefelder Sommerhimmel, d.h. das Bier verwandelt sich binnen Minuten von einer ranzigen Plörre in eine erfrischende Pilsschorle.

Wir haben uns zügig unter Simaos heimeligen Regenschirm verkrochen und sind anschließend in Richtung einer privaten Party abgedampft. Für nächstes Jahr habe ich den Leineweber-Termin prophylaktisch aus meinem Kalender ausgeschnitten, damit ich nicht Gefahr laufe, ihn anzukreuzen.

Eine Woche später: Carnival der Kulturen. Ich bin wieder versöhnt. 

 

Hamburg, 20.05.2011

Gestern beim Mittagessen fiel mir erstmalig ein Laden auf, der sich  die ganze Zeit in Ottensens Hauptstraße geduckt hatte:

Da trifft es sich ja gut, dass mein Gold gerade kaputt gegangen ist. Ich werd's gleich Montag hinbringen.

 

Hamburg, 14.05.2011

Okay, es hätte ein ziemlich cooler Abend werden können. Stattdessen: Grand Prix de la Schlagergedöns im Fernsehen. Nun ja, ich habe mir wacker alles angeguckt und bin mithin in der Lage, ein persönliches Fazit zu ziehen:

- Die m.E. äußerst attraktive Lena Meier-Landstroh ist irgendwo im Mittelfeld gelandet, was meiner Ansicht nach zu einer sofortigen Visumspflicht für sämtliche teilnehmenden osteuropäischen Länder sowie einer Kriegserklärung gegen San Marino (das schaffen sogar unsere Freizeitsoldaten) führen sollte.

- Der Finne war maximal 14, der hätte um die Zeit gar nicht mehr auf sein dürfen.

- Vor jedem Beitrag werden Einspielfilmchen gezeigt, die einen Ort des Gastgeberlandes vorstellen. Das wird ganz witzig, wenn San Marino mal gewinnen sollte. Nach dem ersten Filmchen ist das "Land" schon erschöpfend abgehandelt, und alle weiteren Filmchen zeigen dann Parkbänke, Zigarettenautomaten und Lottoläden.

- Es ist ein unguter Trend hin zu Schulterpolstern der 80er zu erkennen. Dem ist Einhalt zu gebieten, zur Not mittels Gesetz oder Fressenschlägen.

- Den spanischen Tänzern sind mit Kokain gefüllte Kondome im Enddarm geplatzt.

- Osteuropäische Länder weigern sich beharrlich, nichtosteuropäischen Ländern irgendwelche Punkte zu geben. Das ist okay, solange es hilft, das Siegertreppchen schulterpolsterfrei zu halten. Im Falle der Missachtung der äußerst attraktiven Lena Meier-Strandgut sollten allerdings dringend die Aufenthaltsgenehmigungen der hier (noch) lebenden Osteuropäer überprüft und zerrissen werden.

- Bedingt durch etwa zwölf Liter Astra-Bier und einen MP3-Player war die Sendung durchaus erträglich.

Hamburg, 06.05.2011

Neben unserem Hauseingang ist ein weiterer, identisch aussehender. Gegenüber ist der Eingang eines Farbengeschäfts. Schräg gegenüber, links und weiter rechts sind weitere Hauseingänge. Unserer scheint aber irgendwas magisches zu haben, jedenfalls kotzen die Fixerstubenbesucher immer vor unseren, was einen zum aufmerksamen Verlassen der Wohnung zwingt. Für gewöhnlich raubt einem der Anblick den Appetit, aber heute - ob die Möhren noch gut sind?