Hamburg, 23.07.2012

Komisches Gefühl, im Juli draußen sitzen zu können. Aber hat was. Die Klamotten werden mal trocken, und man kann sich das Moos aus den Haaren ziepen. Auf der Alster: Das übliche Feierabendverkehrschaos.

Hamburg, 22.07.2012

 

Heute ein Novum: Ein Gastbeitrag. Von Anja. Kurze Hintergrundbeleuchtung: Vor vielen Jahrzehnten ist Ben von Bielefeld-Mitte nach Bielefeld-Senne gezogen und feierte dort dann seinen Geburtstag. Als Geschenk sollte es eigentlich einen Senne-Reiseführer geben, den Anja zu diesem Anlass verfasst hatte. Ist irgendwie nix draus geworden, aber der Text ist justamente wieder aufgetaucht und soll hiermit elektronisch archiviert sein. Achtung, Wall of Text. Kommt hier demnächst öfters, weil ich wieder mit Schreiben angefangen und ein paar Kurzgeschichten am Start habe, die ich hier demnächst nachhalten werde. Aber jetzt erst mal ins schöne Senne.

 

Bielefeld-Senne

 

An- und Einreise

 

Flugzeug:

Der Flughafen Windelsbleiche wird 1x wöchentlich von einem Heißluftballon der Air Salzkotten angeflogen, wenn der Wind günstig steht, es nicht regnet und der Pilot zufällig nüchtern ist. Vom Flughafen empfiehlt sich die Weiterreise per Anhalter.

Zug:

Ein Mobil-Personen-Zug fährt werktags mehr oder weniger regelmäßig von Bielefeld nach Senne. Für die mehrstündige Fahrt empfiehlt sich die Mitnahme eines Lunchpakets.

Auto:

Im Sommer kann tagsüber mit einem Allradfahrzeug der Osning-Pass von Sieker aus überquert werden. Überdurchschnittliche Fähigkeiten des Fahrers sind Voraussetzung. Gefahr durch wilde Tiere besteht nicht mehr, seit der experimentelle Großwildjäger Benjamin Langenfelder sein Revier regelmäßig patrouilliert und planiert.

 

Ausrüstung

 

Auf Grund der chronisch widrigen Wetterverhältnisse ist es unabdingbar, auf wasserdichte Verpackung des gesamten Gepäcks zu achten. Da Senne eine menschenleere Ödnis ist, sind Zelte, Schlafsack und haltbare Verpflegung lebensnotwendig. Bei Begegnung mit Einheimischen können kleine Geschenke wie Glasperlen, Feuerzeuge oder Gummistiefel ab Größe 42 das Eis brechen.

 

Dokumente und Ausreisebestimmungen

 

Visum:

Für die Einreise nach Senne ist ein Visum erforderlich. Wegen der hohen Analphabeten-Rate im Lande reicht aber eine Kneipenquittung, die mit einem Foto und einem Diskotheken-Eintrittsstempel versehen ist.

Zollvorschriften:

Bei der Einreise müssen deklariert werden: Hochtechnologie wie Zahnbürsten, Dosenöffner oder Nagelknipser. Zöllner konfeszieren gerne Hochprozentiges, lassen sich aber gerne mit Freikarten für das „Stadtpalais“ bestechen. Bei der Ausreise ist nichts zu beachten, es gibt allerdings auch nichts, was man aus Senne ausführen könnte.

 

Essen+Trinken

 

Frühstück:

Morgens begnügt sich der Senner mit einem Pickert und einer Flasche Kartoffelschnaps.

Mittags:

Der gehaltvolle Speiseplan umfasst alles, was sich mit Treckern überfahren lässt. Dazu wird Kartoffelschnaps gereicht. Seit dem Zuzug des Großwildjägers Benjamin Langenfelder ist Rehbraten zu einer seltenen Spezialität geworden.

Abends:

Wurstebrei. Dazu empfiehlt sich Kartoffelschnaps (zur Verdauung).

 

Feiertage

 

27.03.: Tag des aufrechten Gangs

25.05.: Geburtstag des prominenten Großwildjägers Benjamin Langenfelder

 

Frauen allein unterwegs

 

Im patriarchalisch geprägten Senne muss frau sich auf häufige Anmachen einstellen. Statt mit Komplimenten und Anzüglichkeiten wird die Angebetete aber mit einer Keule traktiert und an den Haaren in die Wohnstätte gezerrt, es empfiehlt sich daher die Mitnahme eines Helms.

 

Geld

 

Einheimische Währung ist die Kastanie. 1 Kastanie entspricht 10 Eicheln. In harten Wintern kann auch mit Kartoffelschnaps oder den eigenen Kindern bezahlt werden.

 

Gesundheit

 

Empfohlene Impfungen:

Wegen zahlreicher beißwütiger Wildtiere und Landwirte ist eine Tollwutimpfung nützlich.

Regenschutz:

Durch den Verzicht auf das Waschen und Schneiden von Kopf- und Körperbehaarung verfügt der Senner über einen natürlichen Schutz gegen den ständigen Regen. Es empfiehlt sich, sich dieser lokalen Sitte anzupassen.

Krankenhäuser:

Krankenhäuser gibt es in Senne keine. Bei Beschwerden jeglicher Art wird Kartoffelschnaps gereicht.

 

Umgangsformen

 

Eloquenz und Kontaktfreudigkeit sind beim Senner eher Sekundärtugenden. Die übliche Begrüßung für Freunde ist ein leichtes Kopfnicken. Nach Jahrzehnten intensiver Freundschaft kann daraus auch ein gebrummeltes „Tach“ werden. Wegen des niedrigen Hygienestandards ist der Händedruck als Begrüßung zu Recht unbekannt. Fremde werden interessiert gemustert und ansonsten ignoriert. In der vierten oder fünten Generation kann es jedoch vorkommen, dass man beim Dorffest stumm einen Kartoffelschnaps gereicht bekommt – meist der Beginn einer wundervollen Freundschaft.

 

Medien

 

Zeitungen:

In Senne gibt es keinerlei Tageszeitungen. Die meisten Nachrichten beziehen die Einheimischen aus Klatsch und Tratsch und der „Bäckerblume“.

Fernsehen:

Senne TV sendet werktags täglich von 20:00 bis 21:00 ein mehrfarbiges Testbild. Zu dieser Zeit sind die Straßen wie leergefegt.

Hamburg, 21.07.2012

Beim Festplattenaufräumen gefunden: Zwei Fotos aus meiner alten WG in Bahrenfeld.

Liebliches Grünzeug auf der Küchenfensterbank:

Fortgeschrittene Küchenausstattung:

Hamburg, 19.07.2012

 

 

Zwischen Emden an der Ems und Prag

Liegt eine Stadt, die keiner mag.

Zwischen die Wesermarsch und Linz

Duckt sich die Perle der Provinz:

 

Bielefeld

 

Hier wohnen lauter Bielefelder

Und grämen sich, tagein, tagaus,

füttern Vieh, bestellen Felder,

leeren ihren Pisspott aus.

 

Am Wochenende: Fußballspiel

Gegen Verl und Gütersloh

Werktags ist Ernten wieder Ziel

Zuckerrüben, Mais und Stroh.

 

Grau ist hier die Architektur

Gekreuzt aus Plattenbau und Kotten

Grau die Gesichter, Gemüter stur

Die Lebern: Sichtbar hartgesotten.

 

Hier ist’s nicht schön, wer kann, der flieht

Wer bleibt, hat lebenslanges Pech.

Doch als ich einst dorthingezieht

Da wollte ich nie wieder wech.

 

Die Stadt als solche macht’s zwar nicht schwer

Doch meine Freunde vermiss ich sehr.

 

Hamburg, 18.07.2012

Inhaltlich nicht ganz korrekt, aber ich musste doch lachen, deshalb hier die Wiedergabe:

 

Mittagessen im Scottys. Diskussion über Filme, aktuell grad über die Herr der Ringe-Verfilmung. Ich trete vehement dafür ein, dass die Hobbit-Heroen samt und sonders schwul sind, eine Kollegin plädiert auf heterosexuell. Die Kollegin begründet ihr Ansicht mit der Heirat eines der Fellfüße im Buch. Ich begründe meine Ansicht mit der expliziten Gruppensex-Szene zwischen den Hobbits am Ende des Films und rufe den Kollegen selbige in Erinnerung. Die Kollegin kontert ungerührt: „Draußen war’s kalt. Und was in Mordor passiert, bleibt in Mordor.“

 

Ich fand's lustig! Freunde subtileren Humors seien auf die beste Herr-der-Ringe-Parodie aller Zeiten verwiesen.