Hamburg, 06.11.2012
Nach langer Zeit mal wieder ein Buch gelesen. Eigentlich ein ziemlich öder Zeitvertreib, man kann gar nix anklicken und die Geschichte nicht beeinflussen. Letztens mal wieder The Longest Journey durchgenudelt, das ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Aber was soll man machen, im Bus und in der Badewanne ist das immer noch ein bisschen schwierig mit dem Entertainment, wenn man kein wasserdichtes* Tablet hat. Also ein Buch. Es sei hiermit dann auch gleich allen empfohlen, die nur einen alten Gammelrechner, einen Urlaub vor sich oder die Stromrechnung nicht bezahlt haben, denn es ist gut. Also, für ein Buch.
Gary Buslik: A Rotten Person Travels The Caribbean
Buslik ist Reiseschriftsteller und schreibt Essays, vorrangig über seine Aufenthalte in der Karibik. Das genannte Buch versammelt Essays, die sich über einen Zeitraum von bestimmt zehn Jahren erstrecken und autobiographische Züge tragen. Aber nur Züge, denn er überhöht aus dramaturgischen Gründen die Wirklichkeit hier und da ein wenig. Außerdem verfremdet er sämtliche Namen ihm begegnender Personen und die der meisten Orte und sogar Inseln, weil er alles und jeden in einem Maße durchbeleidigt, dass es mir eine wahre Freude ist, den handelnden Personen aber im Einzelfall die eine oder andere Anzeige wert sein könnte.
Und so urlaubt Buslik auf 254 Seiten über einen Großteil der ans Linienflugnetz angeschlossenen Karibikinseln. Seine Sichtweise ist die eines ultrachauvinistischen US-Bohémiens, der jedes Mal froh ist, zurück in die Zivilisation (seine Heimatstadt) reisen zu können, nur um bei nächster sich bietender Gelegenheit wieder gen Karibik aufzubrechen. Liebevoll beschreibt er die Langweiligkeit der Touristenattraktionen, zieht über Rassen und Rassisten, Frauen und Sexisten und immer wieder und voller Leidenschaft über die karibische Bürokratie her und vernichtet en passant die Alkoholvorräte ganzer Kleinstädte. Die Erzählungen plätschern sanft vor sich hin und nehmen urplötzlich bizarre Wendungen, z.B. wenn er sich mit seiner Frau in einem hochpreisigen Resort langweilt, in dem entgegen beider Erwartungen gerade keine Prominenten logieren, und der Autor beim Pinkeln in der Restauranttoilette plötzlich Idi Amin neben sich zu stehen hat, diesen vor Schreck volles Pfund anpinkelt und anschließend miterleben muss, wie der Schlächter von Afrika seine Frau anbaggert. Die Sprache ist sehr blumig und voller abstruser Metaphern, so dass man schon ein bisschen Englisch können sollte, auf Deutsch gibt’s Busliks Bücher nicht.
Eine Kurzrecherche im Netz ergab, dass Buslik nur einen Winzartikel in der englischen Wikipedia hat. Ich hab ihm dann gleich noch einen etwas ausführlicheren deutschen Eintrag spendiert – mal gucken, wie schnell der wieder gelöscht wird.
Daumen hoch jedenfalls, super Klolektüre.
* In der Badewanne kann ich auf mich selbst aufpassen, aber was manche Leute im Bus beim Sprechen so spucken, das ist echt grenzwertig.